284.0 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1936 |
Nr. 8 |
ausgegeben am 17. April 1936 |
Gesetz
vom 15. April 1936
betreffend den Nachlassvertrag
Ich erteile dem nachstehenden auf Grund der Art. 2, 14, 27, 62 und 66 der Verfassung gefassten Landtagsbeschlusse vom 15. April 1936 Meine Zustimmung.
Art. 1
Ein Schuldner, welcher die Rechtswohltat des Nachlassvertrages erlangen will, hat dem Landgerichte als Nachlassbehörde den Entwurf eines Nachlassvertrages einzureichen, unter Beilegung einer Bilanz, aus welcher seine Vermögenslage ersichtlich ist, sowie ein Verzeichnis seiner Geschäftsbücher, wenn er zur Führung von solchen verpflichtet ist.
Art. 2
Das Landgericht entscheidet nach Anhörung des Schuldners, ob auf das Begehren einzutreten sei. Die Vermögenslage des Schuldners, der Stand seiner Buchführung, sein Geschäftsgebaren und die Ursachen der Nichterfüllung seiner Verbindlichkeiten sind hiebei in Berücksichtigung zu ziehen. Die Entscheidung des Landgerichtes kann innerhalb 14 Tagen nach deren Mitteilung an das Obergericht weitergezogen werden.
Art. 3
1) Tritt das Landgericht auf das Begehren ein, so gewährt es dem Schuldner eine Stundung von zwei Monaten (Nachlassstundung) und setzt ihm gleichzeitig einen Sachwalter, dessen angemessene vom Schuldner zu tragende Entlöhnung vom Landgerichte bestimmt wird. Der Sachwalter hat die Handlungen des Schuldners zu überwachen und insbesondere die in den Art. 6 und ff. bezeichneten Aufgaben zu erfüllen.
2) Die Stundung kann auf Antrag des Sachwalters um höchstens zwei Monate verlängert werden.
Art. 4
Die Bewilligung der Stundung wird öffentlich bekanntgemacht und ist dem Grundbuche mitzuteilen (558 SR).
Art. 5
Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Exekution weder angehoben nach fortgesetzt werden und ist der Lauf jeder Verjährungs- oder Verwirkungsfrist, welche durch Exekution unterbrochen werden kann, gehemmt.
Art. 6
1) Dem Schuldner ist gestattet, unter der Aufsicht des Sachwalters sein Geschäft fortzubetreiben. Jedoch kann er seit der öffentlichen Bekanntmachung der Stundung nicht mehr in rechtsgültiger Weise Liegenschaften veräussern oder belasten, Pfänder bestellen, Bürgschaften eingehen und unentgeltliche Verfügungen treffen.
2) Wenn der Schuldner eine nach Abs. 1 ungültige Handlung vornimmt oder den Weisungen des Sachwalters zuwiderhandelt, so macht der letztere dem Landgericht hievon Anzeige. Das Landgericht kann nach Anhörung des Schuldners die Stundung widerrufen. Die Art. 16 und 17 sind anwendbar.
Art. 7
Der Sachwalter nimmt sofort nach seiner Ernennung ein Inventar über sämtliche Vermögensbestandteile des Schuldners auf und schätzt die einzelnen Vermögensstücke.
Art. 8
1) Der Sachwalter fordert durch öffentliche Bekanntmachung die Gläubiger auf, ihre Forderungen binnen zwanzig Tagen einzugeben, mit der Androhung, dass sie im Unterlassungsfalle bei den Verhandlungen über den Nachlassvertrag nicht stimmberechtigt wären.
2) Durch die nämliche Bekanntmachung beruft der Sachwalter zur Beratung des Nachlassgesuches eine frühestens nach einem Monat abzuhaltende Gläubigerversammlung ein, mit der Beifügung, dass die Akten während zehn Tagen vor der Versammlung eingesehen werden können.
Art. 9
Der Sachwalter holt die Erklärung des Schuldners über die eingegebenen Forderungen ein.
Art. 10
1) In der Gläubigerversammlung leitet der Sachwalter die Verhandlungen; er erstattet Bericht über die Vermögenslage des Schuldners.
2) Der Gläubigerversammlung steht es frei, mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Gläubiger, die zugleich zwei Drittel der Forderungen vertreten, einen andern Sachwalter zu bestellen.
3) Der Schuldner ist gehalten, der Versammlung beizuwohnen, um ihr auf Verlangen Aufschlüsse zu erteilen.
4) Der Entwurf des Nachlassvertrages wird den versammelten Gläubigern zur unterschriftlichen Genehmigung vorgelegt.
5) Die Zustimmungserklärungen können auch innerhalb der nächsten zehn Tage nach der Versammlung gegeben werden.
Art. 11
Ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag nicht zugestimmt hat, geht durch denselben seiner Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige nicht verlustig.
Art. 12
1) Ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, geht seiner Rechte gegen die genannten Personen nicht verlustig, soferne er denselben mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.
2) Der Gläubiger kann auch, unbeschadet seiner Rechte, Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige ermächtigen, an seiner Statt über den Beitritt zum Nachlassvertrage zu entscheiden.
Art. 13
1) Nach Ablauf von zehn Tagen seit der Gläubigerversammlung unterbreitet der Sachwalter der Nachlassbehörde alle Aktenstücke samt seinem Gutachten darüber, ob der Nachlassvertrag angenommen und zu bestätigen sei.
2) Die Behörde trifft beförderlich ihren Entscheid nach durchgeführter öffentlicher Verhandlung.
3) Die Zeit der Verhandlung wird öffentlich bekanntgemacht mit der Anzeige an die Gläubiger, dass sie ihre Einwendungen gegen den Nachlassvertrag in der Verhandlung anbringen können.
Art. 14
1) Der Nachlassvertrag gilt als angenommen, wenn zwei Drittteile der Gläubiger demselben zugestimmt haben, und die von ihnen vertretene Forderungssumme zwei Drittteile des Gesamtbetrages der Forderungen ausmacht.
2) Die in § 9, Abs. 2, § 10, § 11 und § 12 Bst. 1 bis 3 der Konkursordnung vom 1. Januar 1809 genannten Gläubiger werden hierbei weder für ihre Person noch für ihre Forderung mitgerechnet; pfandversicherte Forderungen zählen indessen zu demjenigen Betrage mit, welcher nach der Schätzung des Sachwalters ungedeckt ist.
3) Die Nachlassbehörde entscheidet, ob und zu welchem Betrage bedingte Forderungen und solche mit ungewisser Verfallzeit sowie bestrittene Forderungen mitzuzählen sind. Dem gerichtlichen Entscheide über den Rechtsbestand der Forderungen wird dadurch nicht vorgegriffen.
Art. 15
Die Bestätigung eines von den Gläubigern angenommenen Nachlassvertrages durch die Nachlassbehörde erfolgt nur, wenn folgende Voraussetzungen zutreffen:
1. wenn der Schuldner nicht zum Nachteil seiner Gläubiger unredliche oder sehr leichtfertige Handlungen begangen hat;
2. wenn die angebotene Summe in richtigem Verhältnis zu den Hilfsmitteln des Schuldners steht. Dabei können auch dessen Erbanwartschaften in Anschlag gebracht werden;
3. wenn die Vollziehung des Nachlassvertrages und die vollständige Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger hinlänglich sichergestellt sind, es sei denn, dass die letzteren hierauf verzichten.
Art. 16
Der Entscheid des Landgerichtes über den Nachlass kann innerhalb 14 Tagen nach dessen Eröffnung an das Obergericht weitergezogen werden.
Art. 17
1) Der Entscheid wird, sobald er in Rechtskraft erwachsen ist, öffentlich bekannt gemacht und dem Grundbuchführer mitgeteilt.
2) Mit der öffentlichen Bekanntmachung des Entscheides fallen die Wirkungen der Stundung dahin.
Art. 18
Wird der Nachlassvertrag verworfen oder die Stundung widerrufen, so kann jeder Gläubiger nach den in Kraft stehenden Vorschriften seine Forderungen geltend machen.
Art. 19
Wenn die Nachlassbehörde den Nachlassvertrag bestätigt, so setzt sie denjenigen, deren Forderungen bestritten sind, zur Geltendmachung eine Frist fest, nach deren Ablauf die Forderung nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Art. 20
Der bestätigte Nachlassvertrag ist für sämtliche Gläubiger rechtsverbindlich; ausgenommen sind nur die Pfandgläubiger für den durch das Pfand gedeckten Forderungsbetrag.
Art. 21
Infolge des Nachlassvertrages fallen die nicht mindestens zwei Monate vor der Nachlassstundung richterlich bewilligten Pfändungen in bezug auf alle Vermögensstücke dahin.
Art. 22
Der Schuldner hat auf Anordnung der Nachlassbehörde die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Sparkasse für das Fürstentum Liechtenstein zu hinterlegen.
Art. 23
Jedes Versprechen, durch welches der Schuldner einem Gläubiger mehr zusichert, als was ihm nach dem Nachlassvertrage gebührt, ist ungültig.
Art. 24
1) Ein Gläubiger, gegenüber welchem die Bedingungen des Nachlassvertrages nicht erfüllt werden, kann, unbeschadet der ihm durch denselben gewährten Rechte, bei der Nachlassbehörde mit Bezug auf seine Forderung die Aufhebung des Nachlasses verlangen.
2) Der Art. 16 findet entsprechende Anwendung.
Art. 25
1) Jeder Gläubiger kann bei der Nachlassbehörde den Widerruf eines auf unredliche Weise zustandegekommenen Nachlassvertrages verlangen.
2) Die Art. 16, 17 und 18 finden entsprechende Anwendung.
Art. 26
1) Wenn ein Schuldner, über welchen der Konkurs eröffnet ist, einen Nachlassvertrag vorschlägt, so begutachtet die Konkursverwaltung den Vorschlag zuhanden der Gläubigerversammlung.
2) Die Art. 10 bis 16 und 19 bis 25 finden entsprechende Anwendung mit der Massgabe, dass die Konkursverwaltung an die Stelle des Sachwalters tritt.
Art. 27
Dieses Gesetz wird als dringlich erklärt und tritt mit dem Tage der Kundmachung in Kraft.
Vaduz, 17. April 1936
gez. Franz
gez. Dr. Hoop
Fürstlicher Regierungschef