210.0
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1988 Nr. 49 ausgegeben am 19. Dezember 1988
Gesetz
vom 18. Oktober 1988
über die Abänderung des 3. und 4. Hauptstückes des 1. Teils des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und der Schlussabteilung des Personen- und Gesellschaftsrechtes
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
I.
Das Vierte Hauptstück des Ersten Teils des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Juni 1811, im Fürstentum Liechtenstein eingeführt aufgrund Fürstlicher Verordnung vom 18. Februar 1812, wird wie folgt geändert und ergänzt:
§ 142
1) Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes durch Ausspruch des Gerichtes getrennt oder geschieden worden oder leben die Eltern bei aufrechter Ehe nicht bloss vorübergehend getrennt, so können sie dem Gericht eine Vereinbarung über die Zuweisung ihrer Kinder in Pflege und Erziehung des einen oder des anderen Elternteiles unterbreiten. Das Gericht hat die Vereinbarung zu genehmigen, soweit sie dem Wohl der Kinder entspricht. Dem Elternteil, bei dem sich sonach ein Kind in Pflege und Erziehung befindet, kommt auch die gesetzliche Vertretung des Kindes zu.
2) Kommt innerhalb angemessener Frist eine Vereinbarung nicht zustande oder entspricht sie nicht dem Wohl des Kindes, so hat das Gericht, im Falle nicht bloss vorübergehender Trennung der noch verheirateten Eltern jedoch nur auf Antrag eines Elternteiles, zu entscheiden, welchem Elternteil die Pflege und Erziehung der Kinder und damit auch die gesetzliche Vertretung künftig zustehen soll.
3) Ungeachtet der Zuweisung eines Kindes an den einen Elternteil behält der andere Elternteil weiterhin die Befugnis, mit dem Kind persönlich zu verkehren. Das Gericht hat Art und Umfang dieses Verkehrs zu regeln, soweit dies mit Rücksicht auf die Umstände, namentlich im Interesse des Wohles des Kindes, geboten erscheint.
4) Vor jeder Entscheidung ist auch das Kind anzuhören, sofern es das 10. Lebensjahr bereits vollendet hat.
5) Entscheidungen im Sinne der Abs. 1 bis 3 können vom Gericht beim Vorliegen wichtiger Gründe auf Antrag oder von Amts wegen wieder abgeändert werden.
§ 176
1) Ist der Vater gestorben, wurde er voll oder beschränkt entmündigt, ist sein Aufenthalt seit mindestens sechs Monaten unbekannt, kann die Verbindung mit ihm nicht oder nur mit unverhältnismässig grossen Schwierigkeiten hergestellt werden oder sind ihm die Pflege und Erziehung ganz entzogen, so geht das gesetzliche Vertretungsrecht des Kindes auf die Mutter über. Sie lebt beim Vater wieder auf, wenn der ihn betreffende Hinderungsgrund wegfällt.
2) Über jede nach Abs. 1 eingetretene Änderung der gesetzlichen Vertretung eines Kindes hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine Bestätigung auszustellen.
§ 187
1) Einem Minderjährigen ist ein Vormund zu bestellen, wenn nicht wenigstens einem ehelichen Elternteil die gesetzliche Vertretung zusteht.
2) Inwieweit für Personen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst gehörig zu besorgen vermögen, ein Beistand, ein Kurator oder ein anderer gesetzlicher Vertreter zu bestellen ist, wird besonders bestimmt.
§ 191
Notwendige Entschuldigung von einer Vormundschaft überhaupt;
1) Zur Übernahme einer Vormundschaft sind überhaupt unfähig Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst nicht gehörig zu besorgen vermögen;
2) Personen, von denen, besonders auch wegen der durch eine strafgerichtliche Verurteilung zutage getretenen Veranlagung oder Eigenschaften, eine anständige Erziehung des Mündels oder eine sorgfältige Verwaltung des Mündelvermögens nicht zu erwarten ist.
§ 192
Auch Ordensgeistlichen und im Ausland wohnhaften Personen soll in der Regel keine Vormundschaft aufgetragen werden.
§ 193
1) Ein Ehegatte bedarf zur Übernahme einer Vormundschaft der Zustimmung des anderen Ehegatten. Das Gericht hat von der Zustimmung abzusehen, wenn der andere Ehegatte diese aus nicht gerechtfertigten Gründen verweigert. Als ein gerechtfertigter Grund ist besonders eine Gefährdung der Ehe oder des Familienlebens durch die Vormundschaft anzusehen.
2) Soll ein Ehegatte die Vormundschaft über sein eigenes Kind übernehmen, ist der andere Ehegatte unbekannten Aufenthaltes oder ist er nicht nur vorübergehend zu einer verständigen Äusserung unfähig, so bedarf es der im Abs. 1 vorgesehenen Zustimmung nicht.
§ 194
oder von einer bestimmten Vormundschaft
1) Zum Vormund darf nicht bestellt werden,
1. wen ein Elternteil von der Vormundschaft ausgeschlossen hat, es sei denn, das Vormundschaftsgericht befindet diesen Ausschluss als offenbar ungerechtfertigt;
2. wer mit den Eltern des Minderjährigen oder mit ihm selbst in Feindschaft gelebt hat oder
3. wer mit dem Minderjährigen in einen Rechtsstreit verwickelt ist.
2) Ob eine Person infolge des Bestandes unberichtigter Forderungen zwischen ihr und dem Minderjährigen zur Übernahme der Vormundschaft geeignet erscheint, hat das Gericht zu beurteilen.
§ 195
Freiwillige Entschuldigungsgründe
Wider ihren Willen können zur Übernahme einer Vormundschaft nicht angehalten werden: Weltgeistliche und im Inland wohnhafte Ausländer, ebenso derjenige, der 60 Jahre alt ist, dem die Obsorge über mehrere Kinder oder Enkel obliegt oder der schon eine Vormundschaft zu besorgen hat.
Arten der Berufung zur Vormundschaft;
§ 196
1. testamentarische;
1) Zum Vormund ist, wenn er geeignet ist, in erster Linie derjenige zu bestellen, den ein Elternteil als gesetzlichen Vertreter letztwillig berufen hat. Hat ein Elternteil aber bloss einen Verwalter für das Vermögen des Minderjährigen letztwillig berufen, so wird vermutet, dass er ihn zum Vormund überhaupt habe berufen wollen; sonst ist der berufene Verwalter, wenn er geeignet ist, nur zum besonderen Kurator für das Vermögen zu bestellen.
2) Haben die Eltern letztwillig Unterschiedliches verfügt, so ist derjenige zum Vormund bzw. zum besonderen Kurator zu bestellen, der besser geeig)net ist.
§ 197
wird aufgehoben.
§ 198
2. gesetzliche;
1) Ist letztwillig kein oder kein geeigneter Vormund berufen worden, so ist die Vormundschaft dem nächsten geeigneten Verwandten, unter gleich nahen Verwandten dem geeigneteren, anzuvertrauen.
2) Bei unehelich geborenen Kindern geniesst die Mutter den Vorrang vor allen anderen Verwandten.
§ 202
Verantwortlichkeit des Vormundes in Rücksicht dieses Gegenstandes
Wer seine Untauglichkeit zur Vormundschaft verschweigt, hat allen dem Minderjährigen dadurch entstandenen Schaden und entgangenen Nutzen zu verantworten.
§ 205
Angelobung
Mit Ausnahme der Mutter und der Grosseltern muss jeder Vormund mit Handschlag geloben, dass er den Minderjährigen zur Rechtschaffenheit, Gottesfurcht und Tugend anführen, dass er ihn dem Stande gemäss als einen brauchbaren Bürger erziehen, vor Gericht und ausser demselben vertreten, das Vermögen sorgfältig verwalten und sich in allem nach Vorschrift der Gesetze verhalten wolle.
§ 206
Urkunde
Jedem Vormund hat das Gericht eine Urkunde über seine Bestellung auszufertigen.
§ 209
Stellung des Vormundes
1) Der bestellte Vormund hat nicht nur über die Person des Minderjährigen, sondern auch für dessen Vermögen zu sorgen.
2) Hat jemand einem Minderjährigen, der unter Vormundschaft steht, ein Vermögen zugewendet und den Vormund von der Verwaltung dieses Vermögens ausgeschlossen oder einen Verwalter für das zugewendete Vermögen bestimmt, so liegt dem Gericht ob, für dieses Vermögen einen besonderen Kurator zu bestellen.
§ 210
Stellung mehrerer Vormünder
Sind mehrere Vormünder ernannt worden, so können sie zwar das Vermögen des Minderjährigen gemeinschaftlich oder teilweise verwalten. Verwalten sie es aber gemeinschaftlich oder teilen sie die Verwaltung ohne Genehmhaltung des Gerichtes unter sich, so haftet jeder Einzelne für den ganzen dem Minderjährigen erwachsenden Schaden. Immer muss auch das Gericht dafür besorgt sein, dass die Verantwortung für die Person des Minderjährigen und die Hauptführung der Geschäfte nur einer Person obliegt.
§ 211
Unterstützung eines Vormundes durch einen Mitvormund
1) Das Gericht hat einem Vormund einen Mitvormund beizugeben, wenn es
1. der Vormund verlangt oder
2. das Gericht wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit der Vermögensverwaltung, wegen der Schwierigkeit der Erziehung oder aus ähnlich triftigen Gründen zum Wohle des Mündels für geboten erachtet.
2) Vor der Bestellung des Mitvormundes hat das Gericht den Vormund zu hören.
Pflichten und Rechte des Mitvormundes
§ 212
Dem Mitvormund ist vom Gericht eine Bestellungsurkunde auszufolgen. Er muss mit Handschlag angeloben, für das Wohl des Minderjährigen zu sorgen; die Angelobung entfällt bei der Mutter und den Grosseltern.
§ 213
Zu den Pflichten des Mitvormundes gehören besonders:
1. Er hat den Vormund zu beraten.
2. Er hat wesentliche Mängel bei der Führung der Vormundschaft abzustellen; falls seine Bemühungen erfolglos sind, hat er diese Mängel dem Gericht anzuzeigen.
3. Er hat bei Rechtsgeschäften, für die der Vormund der Einwilligung des Gerichtes bedarf, den Antrag des Vormundes mitzuunterzeichnen oder ihm seine anderslautende Meinung beizufügen.
4. Er hat auf Verlangen des Gerichtes zu einem solchen Rechtsgeschäft sein Gutachten zu erstatten.
§ 215
In der Regel ist dem bisherigen Mitvormund die Vormundschaft zu übertragen, wenn ein neuer Vormund zu bestellen ist.
§ 218
Wer zunächst die Erziehung besorge
Die Person des Minderjährigen soll vorzüglich der Mutter selbst dann, wenn sie die Vormundschaft nicht übernommen oder sich wieder verheiratet hat, anvertraut werden; es wäre denn, dass das Beste des Kindes eine andere Verfügung erheischte.
§ 219
Bestimmung der Quantität und der Quellen der Erziehungskosten
Die Unterhaltskosten bestimmt das vormundschaftliche Gericht und nimmt bei der Bestimmung auf die Anordnung der Eltern, auf das Gutachten des Vormundes, auf das Vermögen und auf andere Verhältnisse des Minderjährigen Rücksicht.
§ 221
In dem Falle, dass die Minderjährigen ganz mittellos sind, soll das vormundschaftliche Gericht die bemittelten nächsten Verwandten zu deren Verpflegung, sofern sie nach dem § 143 hiezu nicht ohnehin rechtlich verbunden sind, zu bewegen suchen. Ausserdem hat der Vormund auf die öffentlichen Einrichtungen der sozialen Hilfe solange einen gerechten Anspruch, bis der Minderjährige imstande ist, sich durch eigene Arbeit und Verwendung selbst zu ernähren.
§ 223
durch die Sperre und Inventur;
Bewegliches Vermögen wird durch gerichtliche Sperre in Verwahrung genommen, wenn es zur Sicherstellung notwendig ist. Ein Verzeichnis des Vermögens des Minderjährigen muss stets errichtet werden.
§ 230
des Geldes (Anlegung von Mündelgeld);
1) Soweit Geld eines Minderjährigen nicht dem Gesetze entsprechend für besondere Zwecke zu verwenden ist, ist es unverzüglich sicher und möglichst fruchtbringend durch Spareinlagen, den Erwerb von Wertpapieren (Forderungen), die Gewährung von Darlehen, den Erwerb von Liegenschaften oder in anderer Weise nach den Grundsätzen der Mündelsicherheit anzulegen. Diese ist insbesondere nur dann gegeben, wenn durch die Sicherstellung mit Einrechnung der etwa vorgehenden Lasten, ein Haus nicht über die Hälfte, ein Grundstück aber nicht über zwei Drittel seines wahren Wertes beschwert wird.
2) Ist es wirtschaftlich zweckmässig, so ist das Mündelgeld auf mehrere dieser Arten anzulegen.
§ 231
des übrigen beweglichen Vermögens;
Das übrige bewegliche Vermögen, das weder zum Gebrauch des Minderjährigen noch zum Andenken der Familie oder nach Anordnung der Eltern aufzubewahren ist noch auf eine andere Art vorteilhaft verwendet werden kann, muss im allgemeinen öffentlich feilgeboten werden. Das Hausgerät kann man den Eltern und den Miterben in dem gerichtlichen Schätzungspreise aus freier Hand überlassen. Stücke, die bei der öffentlichen Versteigerung nicht veräussert worden sind, kann der Vormund mit Bewilligung des vormundschaftlichen Gerichtes auch unter dem Schätzungspreise verkaufen.
§ 245
wird aufgehoben.
§ 247
Einem Minderjährigen, der das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, kann das Vormundschaftsgericht den reinen Überschuss seiner Einkünfte zur eigenen freien Verwaltung ganz oder zum Teil überlassen; über diesen seiner Verwaltung anvertrauten Betrag ist er berechtigt, Verbindlichkeiten einzugehen.
§ 255
Gefährdet eine Vormundschaft über ein nicht eigenes Kind des Vormundes dessen Ehe oder dessen Familienleben, so hat ihn das Gericht auf Antrag des anderen Ehegatten zu entlassen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des Mündels entgegensteht.
§ 259
oder der von anderen rechtlich angesuchten Entlassung.
1) Ist die Mutter zur Zeit der Bestellung des Vormundes noch minderjährig, so kann sie nach erreichter Volljährigkeit auf die Vormundschaft Anspruch erheben.
2) Dasselbe gilt sinngemäss für die Geschwister eines unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen, soferne die Mutter den Anspruch nach Abs. 1 nicht geltend macht oder aus einem bestehenden Hinderungsgrund nicht zum Vormund bestellt werden kann.
3) Auch steht jedem Verwandten frei, wenn das Gericht einen Nichtverwandten zur Vormundschaft berufen hat, sich um die Übernahme der Vormundschaft zu bewerben.
§ 260
Steht ein minderjähriger Ehegatte unter Vormundschaft, so hängt es von der Beurteilung des Gerichtes ab, ob die Vormundschaft dem volljährigen Ehegatten abgetreten werden soll.
§ 269
Von der Kuratel im weiteren Sinn
1) Die Kuratel im weiteren Sinn umfasst die Beistandschaft für behinderte Personen und die Kuratel im engeren Sinn.
2) Demjenigen, der seine oder einzelne seiner Angelegenheiten gehörig zu besorgen nicht vermag, ist, soweit er nicht durch einen Elternteil oder durch einen Vormund gesetzlich vertreten ist oder vertreten werden kann, zur gesetzlichen Vertretung ein Beistand (Beirat) zu bestellen.
3) Die Bestellung eines Kurators im engeren Sinn dient der gebotenen Fürsorge im Verhinderungs- oder Kollisionsfall sowie in anderen Fällen, in denen für eine besondere gesetzliche Vertretung zu sorgen ist.
Die Fälle der Beistandschaft:
§ 270
1. Fall: Der Beistand zur Besorgung aller Angelegenheiten
Eine volljährige Person, die infolge Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unfähig ist, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, und die zu ihrem Schutze oder zur Abwendung von Gefahren für die Sicherheit anderer dauernd der Fürsorge bedarf, ist vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen voll zu entmündigen.
§ 271
Für den voll Entmündigten ist vom Gericht ein Beistand zur Besorgung aller Angelegenheiten als gesetzlicher Vertreter zu bestellen. Der voll Entmündigte ist geschäftsunfähig und kann nur durch seinen Beistand als seinen gesetzlichen Vertreter handeln.
2. Fall: Der Beistand zur Besorgung der einem Vormund vorbehaltenen Angelegenheiten
§ 272
Eine volljährige Person, die zwar nicht unfähig ist, ihre Angelegenheiten zu besorgen, aber wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche zur gehörigen Besorgung ihrer Angelegenheiten, zu ihrem Schutze oder zur Abwendung von Gefahren für die Sicherheit anderer dauernd der Fürsorge bedarf, ist vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen beschränkt zu entmündigen.
§ 273
Beschränkt zu entmündigen ist auf Antrag auch eine volljährige Person, die durch Verschwendung, Trunksucht oder andere Suchterkrankungen, lasterhaften Lebenswandel oder durch die Art und Weise ihrer Vermögensverwaltung sich oder ihre Familie der Gefahr eines Notstandes oder der Verarmung aussetzt und deshalb zu ihrem Schutze oder zur Abwendung von Gefahren für die Sicherheit anderer dauernd der Fürsorge bedarf.
§ 274
Für einen beschränkt Entmündigten ist ein Beistand zur Besorgung der einem Vormund vorbehaltenen Angelegenheiten zu bestellen. Die Geschäftsfähigkeit eines beschränkt Entmündigten steht jener eines Minderjährigen gleich, der das 14. Lebensjahr vollendet hat. So wie bei diesem bedürfen auch die Rechtsgeschäfte eines beschränkt Entmündigten der Zustimmung des Beistandes. Doch kann das Gericht dem Beistand die Verfügung über das, was sich der beschränkt Entmündigte durch seinen Fleiss erwirbt, vorbehalten.
§ 275
3. Fall: Der Beistand zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten (Beirat)
1) Wenn für die beschränkte Entmündigung einer Person kein genügender Grund vorliegt, gleichwohl aber zu ihrem Schutz eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit als notwendig erscheint, so kann ihr auf Antrag ein Beirat gegeben werden, dessen Mitwirkung für folgende Fälle erforderlich ist:
1. Prozessführung und Abschluss von Vergleichen;
2. Kauf, Verkauf, Verpfändung und andere dingliche Belastung von Grund stücken;
3. Kauf, Verkauf und Verpfändung von Wertpapieren;
4. Bauten, die über gewöhnliche Verwaltungshandlungen hinausgehen;
5. Gewähr und Aufnahme von Darlehen;
6. Entgegennahme von Kapitalzahlungen;
7. Schenkungen;
8. Eingehen wechselrechtlicher Verpflichtungen;
9. Eingehen von Bürgschaften.
2) Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Verwaltung des Vermögens dem Schutzbedürftigen entzogen werden, während er über die Erträgnisse die freie Verfügung behält.
3) Wenn es der Schutzzweck dieser Massnahme erfordert, können die Mitwirkungsbeiratschaft nach Abs. 1 und die Verwaltungsbeiratschaft nach Abs. 2 miteinander verbunden werden.
4) Umgekehrt kann, wenn es für den Schutzzweck der Massnahme genügt, die Mitwirkungsbeiratschaft nach Abs. 1 auf einzelne der dort angeführten Arten von Angelegenheiten oder die Verwaltungsbeiratschaft nach Abs. 2 auf einzelne Vermögensbestandteile beschränkt werden. Im übrigen gilt Abs. 3 sinngemäss.
5) Die Beiratschaft hat über die angeordnete Massnahme hinaus auf die Geschäftsfähigkeit der Person keinen Einfluss.
§ 276
4. Fall: Die freiwillige Beistandschaft oder Beiratschaft
1) Für eine Person, für welche ein Beistand nach § 272 oder § 273 zu bestellen oder eine Beiratschaft nach § 275 anzuordnen wäre, namentlich weil sie infolge von Altersschwäche oder anderen Gebrechen ihre Angelegenheiten nicht gehörig zu besorgen vermag, kann unter Abstandnahme von der beschränkten Entmündigung oder anstelle der nach § 275 zu treffenden Massnahme auf Antrag eine freiwillige Beistandschaft oder Beiratschaft angeordnet werden, soferne und solange sich die Person bereit erklärt, zu ihrem Schutze die Mitwirkung eines Beistandes (Beirates) freiwillig anzunehmen und mit diesem zusammenzuarbeiten.
2) Die freiwillige Beistandschaft oder Beiratschaft hat keine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge.
Die Fälle der Kuratel:
§ 277
1. Fall: Die Verhinderungs- und Kollisionskuratel
Auf Ansuchen eines Beteiligten oder von Amts wegen ernennt das Gericht einen Kurator in den im Gesetz besonders vorgesehenen sowie in folgenden weiteren Fällen:
1. wenn eine volljährige Person in einer dringenden Angelegenheit infolge von Krankheit, Abwesenheit oder dergleichen weder selbst zu handeln noch einen Vertreter zu bezeichnen vermag;
2. wenn der gesetzliche Vertreter einer minderjährigen oder unter Beistandschaft (Beiratschaft) stehenden Personen in einer Angelegenheit Interessen hat, die denen des Vertretenen widersprechen;
3. wenn der gesetzliche Vertreter an der Vertretung verhindert ist.
§ 278
2. Fall: Die Verwaltungskuratel
Fehlt einem Vermögen die nötige Verwaltung, so hat das Gericht das Erforderliche anzuordnen und namentlich in folgenden Fällen einen Kurator zu ernennen:
1. bei längerer Abwesenheit einer Person mit unbekanntem Aufenthalt;
2. bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung des Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen, falls nicht die Vormundschaft oder Beistandschaft (Beiratschaft) anzuordnen ist;
3. bei Ungewissheit der Erbfolge und zur Wahrung der Interessen des Kindes vor der Geburt;
4. bei einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung, solange die erforderlichen Organe mangeln und nicht auf andere Weise für die Verwaltung gesorgt ist;
5. bei öffentlicher Sammlung von Geldern für wohltätige und andere dem öffentlichen Wohle dienenden Zwecke, solange für die Verwaltung oder Verwendung nicht gesorgt ist.
§ 279
Gemeinsame Bestimmungen für die Bestellung des Beistandes und des Kurators
Bei der Auswahl des Beistandes (Beirates) und des Kurators ist auf die Angelegenheiten, die er zu besorgen hat, bei der Auswahl des Erstgenannten überdies auf die Bedürfnisse der zu befürsorgenden Person zu achten.
§ 280
Verfahren
Die Bestellung eines Beistandes (Beirates) oder Kurators obliegt dem Gericht. Die näheren Bestimmungen über das anzuwendende Verfahren sind, soweit sie nicht in diesem Hauptstück oder anderen in Betracht kommenden Vorschriften enthalten sind, in den §§ 13 ff der Schlussabteilung zum Personen- und Gesellschaftsrecht getroffen worden.
§ 281
Subsidiäre Anwendung vormundschaftsrechtlicher Bestimmungen
Wer die gehörigen Eigenschaften zum Amte eines Vormundes besitzt, kann auch eine Beistandschaft (Beiratschaft) oder eine Kuratel übernehmen. Auch finden hiebei die gleichen Entschuldigungsgründe und Vorzugsrechte wie bei der Vormundschaft statt.
§ 282
Rechte und Pflichten der Beistände und Kuratoren
1) Die Rechte und Verbindlichkeiten der Beistände (Beiräte) und Kuratoren, welche entweder nur für die Verwaltung des Vermögens oder zugleich für die Person ihres Pflegebefohlenen zu sorgen haben, sind aus den den Vormündern hierüber erteilten Vorschriften zu beurteilen.
2) Der Beistand (Beirat) einer behinderten Person hat auch erforderlichenfalls deren ärztliche und soziale Betreuung sicherzustellen, soweit das Gericht nichts anderes bestimmt.
3) Wird dem Beistand (Beirat) oder Kurator die Besorgung oder Überwachung einer einzelnen Angelegenheit übertragen, so hat er die Anweisung des Gerichtes genau zu beobachten.
4) Wird dem Kurator nur die Verwaltung oder Überwachung eines Vermögens übertragen, so hat er sich auf die Verwaltung und auf die Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens zu beschränken.
5) Verfügungen, die über die vorstehenden Rechte und Pflichten hinausgehen, darf ein Beistand (Beirat) oder Kurator nur aufgrund besonderer Ermächtigung vornehmen, die ihm der Vertretene selbst oder, wenn dieser hiezu nicht fähig ist, das Gericht erteilen.
§ 283
Beendigung der Beistandschaft und Kuratel
1) Für das Erlöschen der Beistandschaft (Beiratschaft) und Kuratel gilt der § 249.
2) Der Beistand (Beirat) oder Kurator ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn die Gründe für seine Bestellung weggefallen sind. Die § 254 und 257 sind sinngemäss anzuwenden.
3) Das Gericht hat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen oder die Lage der Verhältnisse eine Aufhebung oder Änderung der Beistandschaft (Beiratschaft) bzw. Kuratel erfordern.
II.
Die Schlussabteilung des Personen- und Gesellschaftsrechtes vom 20. Januar 1926, LGBl. 1926 Nr. 4, wird wie folgt geändert bzw. ergänzt:
§ 12
Vormundschaftsrecht, Beistandschaft und Kuratel
1) Auf die Vormundschaft finden im übrigen die Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches über die Vormundschaft weiterhin entsprechende Anwendung.
2) Dasselbe gilt für die Beistandschaft (Beiratschaft) und die Kuratel.
§ 13
Verfahren
Für das in Vormundschaftssachen sowie in Angelegenheiten der Beiratschaft und Kuratel anzuwendende Verfahren gelten jedoch, soweit das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch nicht etwas anderes anordnet, die nachfolgenden Bestimmungen der §§ 14, 22 bis 25 sowie 28 bis 30 sinngemäss mit folgender Massgabe:
1. Soweit das Verfahrensrecht von einem Mündigen oder Unmündigen spricht, ist im ersten Fall eine volljährige Person, im zweiten Fall eine Person zu verstehen, die die Volljährigkeit noch nicht erreicht hat.
2. Das für Fälle der Bevormundung anzuwendende Verfahren gilt dem Sinne nach auch für die volle und beschränkte Entmündigung sowie die Bestellung eines Beistandes (Beirates) oder eines Kurators nach den Bestimmungen des ABGB.
§ 14
Meldepflichten
Der Zivilstandsregisterführer und andere Verwaltungsbehörden des Landes und der Gemeinden haben dem Landgericht ohne Verzug Anzeige zu machen, sobald sie in ihrer Amtstätigkeit vom Eintritt eines Falles Kenntnis erlangen, der ein amtswegiges Einschreiten des Gerichtes in Vormundschafts-, Beistandschafts- oder Kuratelsachen erfordert.
§§ 15 bis 21
werden aufgehoben.
§ 22 Abs. 5
5) Alle gerichtlichen Entscheidungen ergehen im Rechtsfürsorgeverfahren.
§ 25 Abs. 1
1) Wird eine volljährige Person im Sinne der §§ 270 bis 274 ABGB voll oder beschränkt entmündigt, so muss die Entmündigung, sobald sie rechtskräftig geworden ist, dreimal in den für amtliche Bekanntmachungen bestimmten Landesblättern veröffentlicht werden.
§§ 26 und 27
werden aufgehoben.
§ 28 Abs. 1
1) Die Vormundschaft endigt mit der Aufhebung durch das Landgericht im Rechtsfürsorgeverfahren.
III.
Übergangsbestimmungen
1. In den Fällen, in denen schon vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ein gesetzlicher Vertreter rechtskräftig bestellt wurde, der nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Beistand (Beirat) oder Kurator anzusehen wäre, bleiben die getroffenen gerichtlichen Verfügungen in Kraft. Jedoch hat das Gericht binnen Jahresfrist zu überprüfen, ob die im Einzelfall getroffene Verfügung mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen in Einklang steht. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht die notwendigen Ergänzungen oder Richtigstellungen zu veranlassen.
2. Ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängiges Verfahren über eine Entmündigung bzw. die Bestellung eines Beistandes (Beirates) oder Kurators ist nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes fortzusetzen und zu beendigen, soferne das Verfahren noch in erster Instanz behängt. Ein in höherer Instanz anhängiges Verfahren ist dem Erstgericht zu überweisen und von diesem so fortzusetzen, als ob das Rechtsmittelgericht das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen hätte.
3. Soweit in anderen Gesetzen auf Bestimmungen und Bezeichnungen hingewiesen wird, auf die die Bestimmungen und Bezeichnungen dieses Gesetzes zutreffen, erhält die in den anderen Gesetzen enthaltene Verweisung ihren Sinn aus den entsprechenden Bestimmungen und Bezeichnungen des vorliegenden Gesetzes.
IV. Schlussbestimmung
Dieses Gesetz tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

In Stellvertretung des Landesfürsten:

gez. Hans-Adam

Erbprinz

gez. Hans Brunhart

Fürstlicher Regierungschef