412.014.066
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2010 Nr. 320 ausgegeben am 4. November 2010
Verordnung
vom 26. Oktober 2010
über die berufliche Grundbildung Schreinerpraktikerin/Schreinerpraktiker mit Berufsattest (BA)1
Aufgrund von Art. 26 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) vom 13. März 2008, LGBl. 2008 Nr. 103, verordnet die Regierung:
I. Gegenstand, Schwerpunkte und Dauer2
Art. 1
Berufsbezeichnung, Berufsbild und Schwerpunkte
1) Die Berufsbezeichnung ist Schreinerpraktikerin/Schreinerpraktiker.
2) Schreinerpraktikerinnen/Schreinerpraktiker zeichnen sich insbesondere durch folgende Tätigkeiten und Haltungen aus:
a) Sie führen in der Werkstatt oder auf dem Bau, im Team oder allein, einfache, in begrenzten Fachgebieten vorkommende Arbeiten aus.
b) Sie kennen in ihrem Tätigkeitsgebiet die wichtigsten Materialien und deren Eigenschaften.
c) Sie setzen in ihrem Tätigkeitsgebiet Werkzeuge, Handmaschinen und stationäre Standardmaschinen unter Berücksichtigung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes fachgerecht ein.
d) Sie verstehen einfache Fachzeichnungen, setzen diese um und führen einfache Montagearbeiten aus.
e) Sie beachten branchenübliche Normen und Vorschriften sowie die ökologischen Grundsätze.
3) Innerhalb des Berufs der Schreinerpraktikerin/des Schreinerpraktikers gibt es folgende Schwerpunkte:3
a) Schreinerei;
b) Fensterbau.
4) Der Schwerpunkt wird vor Beginn der beruflichen Grundbildung im Lehrvertrag festgehalten.4
Art. 2
Dauer und Beginn
1) Die berufliche Grundbildung dauert zwei Jahre.
2) Zur beruflichen Grundbildung wird zugelassen, wer das 15. Altersjahr vollendet und die obligatorische Schulpflicht abgeschlossen hat.
3) Der Beginn der beruflichen Grundbildung richtet sich nach dem Schuljahr der zuständigen Berufsfachschule.
II. Ziele und Anforderungen
Art. 3
Kompetenzen
1) Die Ziele und Anforderungen der beruflichen Grundbildung werden in Form von Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 beschrieben.
2) Sie gelten für alle Lernorte.
Art. 4
Fachkompetenz
Die Fachkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) Arbeitssicherheit/Gefahrenquellen/Gesundheitsschutz;
b) Materialien;
c) Betriebsmittel;
d) Montage/Lieferungen;
e) Fachzeichnen;
f) Berechnungen;
g) Vorschriften/Normen;
h) Umweltschutz/Ökologie;
i) Arbeitsrecht/Administration.
Art. 5
Methodenkompetenz
Die Methodenkompetenz umfasst:
a) Arbeitstechniken und Problemlösen;
b) prozessorientiertes, vernetztes Denken und Handeln;
c) Informations- und Kommunikationsstrategien;
d) Lernstrategien/lebenslanges Lernen;
e) betriebsgerechtes Verhalten.
Art. 6
Sozial- und Selbstkompetenz
Die Sozial- und Selbstkompetenz umfasst:
a) eigenverantwortliches Handeln;
b) Umgangsformen/Kommunikationsfähigkeit;
c) Teamfähigkeit;
d) qualitätsorientiertes Denken und Handeln;
e) ökologisches Verhalten.
III. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz
Art. 7
1) Die Anbieter der Bildung geben den Lernenden zu Beginn der Bildung Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz ab und erklären sie ihnen.
2) Diese Vorschriften und Empfehlungen werden an allen Lernorten vermittelt und in den Qualifikationsverfahren berücksichtigt.
3) Gemäss Art. 12 ArGV V können die Lernenden entsprechend ihrem Ausbildungsstand herangezogen werden für Arbeiten mit Maschinen, Ausrüstungen oder Werkzeugen, die mit Unfallgefahren verbunden sind, von denen anzunehmen ist, dass Jugendliche sie wegen mangelndem Sicherheitsbewusstseins oder wegen mangelnder Erfahrung oder Ausbildung nicht erkennen oder nicht abwenden können.5
4) Voraussetzung für den Einsatz nach Abs. 3 ist eine, den erhöhten Gefährdungen angepasste, verstärkte Ausbildung, Anleitung und Überwachung; diese werden in Leistungszielen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Bildungsplan festgelegt.6
IV. Anteile der Lernorte und Unterrichtssprache
Art. 8
Anteile der Lernorte
1) Die Bildung in beruflicher Praxis erfolgt über die ganze Dauer der beruflichen Grundbildung im Durchschnitt an vier Tagen pro Woche.
2) Die schulische Bildung im obligatorischen Unterricht umfasst 720 Lektionen. Davon entfallen auf:
a) den berufskundlichen Unterricht: 400 Lektionen;
b) den allgemein bildenden Unterricht: 240 Lektionen;
c) den Sportunterricht: 80 Lektionen.
3) Die überbetrieblichen Kurse umfassen insgesamt 28 Tage zu acht Stunden. Im letzten Semester der beruflichen Grundbildung finden keine überbetrieblichen Kurse mehr statt.
Art. 9
Unterrichtssprache
Unterrichtssprache ist in der Regel die Landessprache.
V. Bildungsplan und Allgemeinbildung
Art. 10
Bildungsplan
1) Der von den verantwortlichen Organisationen der Arbeitswelt erarbeitete und vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) genehmigte Bildungsplan gilt in Liechtenstein als anerkannt.
2) Der Bildungsplan führt die Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 wie folgt näher aus:
a) Er begründet sie in ihrer Wichtigkeit für die berufliche Grundbildung.
b) Er bestimmt, welches Verhalten in bestimmten Handlungssituationen am Arbeitsplatz erwartet wird.
c) Er differenziert sie in konkrete Leistungsziele aus.
d) Er bezieht sie konsistent auf die Qualifikationsverfahren und beschreibt deren System.
3) Der Bildungsplan legt überdies fest:
a) die curriculare Gliederung der beruflichen Grundbildung;
b) die Aufteilung der überbetrieblichen Kurse über die Dauer der Grundbildung und ihre Organisation;
c) die Qualifikationsbereiche, die im Notenausweis nach Art. 21 Abs. 3 genannt werden und für die Wiederholungen nach Art. 19 zählen;
d) die Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz.
4) Dem Bildungsplan angefügt ist die Liste der Unterlagen zur Umsetzung der beruflichen Grundbildung für Schreinerpraktikerinnen/Schreinerpraktiker mit Titel und Datum, Autorschaft und Bezugsquelle.
Art. 11
Allgemeinbildung
Für die Allgemeinbildung gilt die Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
VI. Anforderungen an die Anbieter der Bildung im Lehrbetrieb
Art. 12
Fachliche Mindestanforderungen an Berufsbildnerinnen/Berufsbildner
Die fachlichen Mindestanforderungen an eine Berufsbildnerin/einen Berufsbildner erfüllt, wer über eine der folgenden Qualifikationen verfügt:
a) einschlägiger Abschluss der höheren Berufsbildung auf der Tertiärstufe;
b) Schreinerin/Schreiner mit Fähigkeitszeugnis und mindestens dreijähriger Berufspraxis.
Art. 13
Höchstzahl der Lernenden
1) In einem Betrieb, in dem eine entsprechend qualifizierte Berufsbildnerin/ein entsprechend qualifizierter Berufsbildner zu 100 % beschäftigt ist, darf eine lernende Person ausgebildet werden.
2) Mit jeder zusätzlichen Beschäftigung einer Fachkraft zu 100 % oder von zwei Fachkräften zu mindestens je 60 % darf eine weitere lernende Person im Betrieb ausgebildet werden.
3) Als Fachkraft gilt, wer über ein Fähigkeitszeugnis im Fachbereich der lernenden Person oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügt.
4) Tritt eine lernende Person in das letzte Jahr der beruflichen Grundbildung ein, so kann eine weitere lernende Person ihre Bildung beginnen.
5) In besonderen Fällen kann das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung einem Betrieb, der seit mehreren Jahren Lernende mit überdurchschnittlichem Erfolg ausgebildet hat, die Überschreitung der Höchstzahl der Lernenden bewilligen.
VII. Lern- und Leistungsdokumentation
Art. 14
Lerndokumentation im Betrieb
1) Die lernende Person führt eine Lerndokumentation in der sie die wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und die Erfahrungen im Betrieb festhält.
2) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner hält den Ausbildungsstand in einem Bildungsbericht fest und bespricht diesen mindestens einmal pro Semester mit der lernenden Person.
Art. 15
Dokumentation der Leistungen in der schulisch organisierten Bildung
Die Anbieter der schulischen Bildung und die Anbieter schulisch organisierter Grundbildungen dokumentieren die Leistungen der Lernenden in den unterrichteten Bereichen und stellen ihnen am Ende jedes Semesters ein Zeugnis aus.
VIII. Qualifikationsverfahren
Art. 16
Zulassung zu den Qualifikationsverfahren
Zum Qualifikationsverfahren wird zugelassen, wer die berufliche Grundbildung erworben hat:
a) nach den Bestimmungen dieser Verordnung;
b) in einer dafür zugelassenen Bildungsinstitution; oder
c) ausserhalb eines geregelten Bildungsganges und glaubhaft macht, den Anforderungen der Prüfung gewachsen zu sein.
Art. 17
Gegenstand, Umfang und Durchführung des Qualifikationsverfahrens
1) Im Qualifikationsverfahren ist nachzuweisen, dass die Kompetenzen nach den Art. 4 bis 6 erworben worden sind.
2) Im Qualifikationsverfahren werden die nachstehenden Qualifikationsbereiche wie folgt geprüft:
a) Abschlussarbeit: Dieser Prüfungsteil findet im Laufe des vierten Semesters in der Regel im Betrieb statt und dauert 8 bis 16 Stunden. Die Lerndokumentation, die Unterlagen der überbetrieblichen Kurse und die Fachliteratur dürfen als Hilfsmittel verwendet werden.
b) Erfahrungsnote überbetrieblicher Kurse: Die Note ist das Mittel aus der Summe dreier definierter und beurteilter überbetrieblicher Kurse.
c) Erfahrungsnote aus dem berufskundlichen Unterricht: Es zählt die Erfahrungsnote der Berufsfachschule. Sie ist das Mittel aus der Summe aller Semesternoten der berufskundlichen Fächer.
d) Allgemeinbildung: Dieser Qualifikationsbereich richtet sich nach der Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
Art. 18
Bestehen
1) Das Qualifikationsverfahren ist bestanden, wenn:
a) der Qualifikationsbereich "Abschlussarbeit" mit der Note 4 oder höher bewertet wird; und
b) die Gesamtnote 4 oder höher erreicht wird.
2) Die Gesamtnote ist das auf eine Dezimalstelle gerundete Mittel aus der Summe der gewichteten Noten der einzelnen Qualifikationsbereiche.
3) Für die Berechnung der Gesamtnote zählen die Qualifikationsbereiche mit folgender Gewichtung:
a) Abschlussarbeit: doppelt;
b) Erfahrungsnote überbetrieblicher Kurse: einfach;
c) Erfahrungsnote berufskundlicher Unterricht: einfach;
d) Allgemeinbildung: einfach.
Art. 19
Wiederholungen
1) Wiederholungen von Qualifikationsverfahren sind höchstens zweimal möglich. Muss ein Qualifikationsbereich wiederholt werden, so ist er in seiner Gesamtheit zu wiederholen.
2) Wird das Qualifikationsverfahren ohne erneuten Besuch der Berufsfachschule bzw. der überbetrieblichen Kurse wiederholt, so werden die bisherigen Erfahrungsnoten beibehalten.
3) Wird der berufskundliche Unterricht während zwei Semestern wiederholt, so zählt die neue Erfahrungsnote.
4) Werden die überbetrieblichen Kurse während zwei Semestern wiederholt, so zählt die neue Erfahrungsnote der Kurse 5 und 7 oder die Note einer Ersatzprüfung.7
Art. 20
Spezialfälle
Hat eine lernende Person die Vorbildung ausserhalb der geregelten beruflichen Grundbildung nach dieser Verordnung erworben, so werden statt der Erfahrungsnote aus dem berufskundlichen Unterricht und der Erfahrungsnote der überbetrieblichen Kurse je eine Ersatzprüfung abgelegt.
IX. Ausweise und Titel
Art. 21
Berufsattest
1) Wer ein Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erhält ein Berufsattest.
2) Das Berufsattest berechtigt, den gesetzlich geschützten Titel "Schreinerpraktikerin BA"/"Schreinerpraktiker BA" zu führen.
3) Im Notenausweis werden die Gesamtnote und die Noten jedes Qualifikationsbereichs festgehalten.
X. Kommission für Berufsentwicklung und Qualität
Art. 22
Die Regierung kann eine Kommission bestimmen, der die Förderung der Berufsentwicklung und die Sicherstellung der Qualität der Grundbildung für Schreinerpraktikerinnen/Schreinerpraktiker obliegt.
XI. Schlussbestimmung
Art. 23
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Dr. Klaus Tschütscher

Fürstlicher Regierungschef

1   30506 Schreinerpraktikerin/Schreinerpraktiker

2   Überschrift vor Art. 1 abgeändert durch LGBl. 2013 Nr. 128.

3   Art. 1 Abs. 3 eingefügt durch LGBl. 2013 Nr. 128.

4   Art. 1 Abs. 4 eingefügt durch LGBl. 2013 Nr. 128.

5   Art. 7 Abs. 3 abgeändert durch LGBl. 2013 Nr. 128.

6   Art. 7 Abs. 4 abgeändert durch LGBl. 2013 Nr. 128.

7   Art. 19 Abs. 4 abgeändert durch LGBl. 2013 Nr. 128.