412.014.103 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 2011 |
Nr. 272 |
ausgegeben am 13. Juli 2011 |
Verordnung
vom 21. Juni 2011
über die berufliche Grundbildung Maurerin/Maurer mit Fähigkeitszeugnis (FZ)
1
Aufgrund von Art. 26 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) vom 13. März 2008,
LGBl. 2008 Nr. 103, verordnet die Regierung:
Art. 1
Berufsbild
Maurerinnen/Maurer beherrschen namentlich folgende Tätigkeiten und zeichnen sich durch folgende Haltungen aus:
a) Sie sind fähig, handwerkliche Leistungen auf der Baustelle selbständig auszuführen.
b) Sie können Ihre Arbeiten schriftlich, rechnerisch und zeichnerisch festhalten.
c) Sie berücksichtigen bei der Arbeit die Vorschriften der Arbeitssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes.
d) Sie erbringen ihre Leistungen ökonomisch, ökologisch, bautechnisch korrekt sowie gesetzes- und normenkonform.
Art. 2
Dauer und Beginn
1) Die berufliche Grundbildung dauert drei Jahre.
2) Baupraktikerinnen/Baupraktikern wird das erste Jahr der beruflichen Grundbildung angerechnet.
3) Der Beginn der beruflichen Grundbildung richtet sich nach dem Schuljahr der zuständigen Berufsfachschule.
II. Ziele und Anforderungen
Art. 3
Handlungskompetenzen
1) Die Ziele und Anforderungen der beruflichen Grundbildung werden in Form von Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 beschrieben.
2) Sie gelten für alle Lernorte.
Art. 4
Fachkompetenz
Die Fachkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) Unternehmung und Umfeld;
b) Ausführungsgrundlagen;
c) Vorphase der Ausführung;
d) Ausführung;
e) Auftragsüberwachung.
Art. 5
Methodenkompetenz
Die Methodenkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) Arbeitstechniken;
b) Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz;
c) Umweltschutz und Ressourcenbewusstsein;
d) prozessorientiertes, vernetztes Denken und Handeln;
e) Lernstrategien;
f) Problemlösungs- und Kreativitätsfähigkeit.
Art. 6
Sozial- und Selbstkompetenz
Die Sozial- und Selbstkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) eigenverantwortliches Handeln;
b) Lernbereitschaft;
c) Informationsbereitschaft;
d) Teamfähigkeit;
e) Umgangsformen und Kommunikationsfähigkeit;
f) Integrität.
III. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz
Art. 7
1) Die Anbieter der Bildung geben den Lernenden zu Beginn und während der Bildung Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz ab und erklären sie ihnen.
2) Diese Vorschriften und Empfehlungen werden an allen Lernorten vermittelt und in den Qualifikationsverfahren berücksichtigt.
3) Gemäss Art. 12 ArGV V können die Lernenden entsprechend ihrem Ausbildungsstand herangezogen werden für Arbeiten mit Maschinen, Ausrüstungen oder Werkzeugen, die mit Unfallgefahren verbunden sind, von denen anzunehmen ist, dass Jugendliche sie normalerweise wegen mangelnden Sicherheitsbewusstseins oder wegen mangelnder Erfahrung oder Ausbildung nicht erkennen oder nicht abwenden können.
4) Voraussetzung für den Einsatz nach Abs. 3 ist eine den erhöhten Gefährdungen angepasste verstärkte Ausbildung, Anleitung und Überwachung; diese werden in Leistungszielen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Bildungsplan festgelegt.
IV. Anteile der Lernorte und Unterrichtssprache
Art. 8
Anteile der Lernorte
1) Die Bildung in beruflicher Praxis erfolgt über die ganze Dauer der beruflichen Grundbildung im Durchschnitt an vier Tagen pro Woche.
2) Die schulische Bildung im obligatorischen Unterricht erfolgt in 1 080 Lektionen. Davon entfallen auf den Sportunterricht 120 Lektionen.
3) Die überbetrieblichen Kurse umfassen insgesamt mindestens 65 und höchstens 75 Tage zu acht Stunden. Im letzten Semester der beruflichen Grundbildung finden keine überbetrieblichen Kurse mehr statt.
Art. 9
Unterrichtssprache
1) Unterrichtssprache ist in der Regel die Landessprache.
2) Zweisprachiger Unterricht in der Landessprache und in einer Fremdsprache ist empfohlen.
3) Die Regierung kann andere Unterrichtssprachen zulassen.
V. Bildungsplan und Allgemeinbildung
Art. 10
Bildungsplan
1) Der von den verantwortlichen Organisationen der Arbeitswelt erarbeitete und vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) genehmigte Bildungsplan gilt in Liechtenstein als anerkannt.
2) Der Bildungsplan führt die Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 wie folgt näher aus:
a) Er begründet sie in ihrer Wichtigkeit für die berufliche Grundbildung.
b) Er bestimmt, welches Verhalten in bestimmten Handlungssituationen am Arbeitsplatz erwartet wird.
c) Er differenziert sie in konkrete Leistungsziele aus.
d) Er bezieht sie konsistent auf die Qualifikationsverfahren und beschreibt deren System.
3) Der Bildungsplan legt überdies fest:
a) die curriculare Gliederung der beruflichen Grundbildung;
b) die Aufteilung der überbetrieblichen Kurse über die Dauer der Grundbildung und ihre Organisation;
c) die Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz.
4) Dem Bildungsplan angefügt ist die Liste der Unterlagen zur Umsetzung der beruflichen Grundbildung mit Titel, Datum und Bezugsquelle.
Art. 11
Allgemeinbildung
Für die Allgemeinbildung gilt die Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
VI. Anforderungen an die Anbieter der betrieblich organisierten Grundbildung
Art. 12
Fachliche Mindestanforderungen an Berufsbildnerinnen/Berufsbildner
Die fachlichen Mindestanforderungen an eine Berufsbildnerin/einen Berufsbildner erfüllt, wer über eine der folgenden Qualifikationen verfügt:
a) Maurerin/Maurer mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
b) gelernte Maurerin/gelernter Maurer mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
c) Fähigkeitszeugnis eines verwandten Berufs mit den notwendigen Berufskenntnissen im Bereich der Maurerin/des Maurers und mit mindestens drei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
d) einschlägiger Abschluss der höheren Berufsbildung.
Art. 13
Höchstzahl der Lernenden
1) In einem Betrieb darf eine lernende Person ausgebildet werden, wenn:
a) eine entsprechend qualifizierte Berufsbildnerin/ein entsprechend qualifizierter Berufsbildner zu 100 % beschäftigt wird; oder
b) zwei entsprechend qualifizierte Berufsbildnerinnen/entsprechend qualifizierte Berufsbildner zu je mindestens 60 % beschäftigt werden.
2) Tritt eine lernende Person in das letzte Jahr der beruflichen Grundbildung ein, so kann eine weitere lernende Person ihre Bildung beginnen.
3) Mit jeder zusätzlichen Beschäftigung einer Fachkraft zu 100 % oder von zwei Fachkräften zu je mindestens 60 % darf eine weitere lernende Person im Betrieb ausgebildet werden.
4) Als Fachkraft gilt, wer im Fachbereich der lernenden Person über ein Fähigkeitszeugnis, ein Berufsattest oder eine gleichwertige Qualifikation verfügt.
5) In besonderen Fällen kann das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung einem Betrieb, der seit mehreren Jahren Lernende mit überdurchschnittlichem Erfolg ausgebildet hat, die Überschreitung der Höchstzahl der Lernenden bewilligen.
VII. Lern- und Leistungsdokumentation
Art. 14
Im Betrieb
1) Die lernende Person führt eine Lerndokumentation, in der sie laufend alle wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und ihre Erfahrungen im Betrieb festhält.
2) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner kontrolliert, bespricht und unterzeichnet die Lerndokumentation einmal pro Quartal.
3) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner hält am Ende jedes Semesters den Bildungsstand der lernenden Person in einem Bildungsbericht fest.
Art. 15
In der schulischen Bildung und in der schulisch organisierten Grundbildung
Die Anbieter der schulischen Bildung und die Anbieter schulisch organisierter Grundbildungen dokumentieren die Leistungen der Lernenden in den unterrichteten Bereichen und stellen ihnen am Ende jedes Semesters ein Zeugnis aus.
Art. 16
Im überbetrieblichen Kurs
1) Die Anbieter der überbetrieblichen Kurse dokumentieren die Leistungen der Lernenden in der Form von Kompetenznachweisen nach jedem überbetrieblichen Kursmodul.
2) Diese Kompetenznachweise werden in Noten ausgedrückt und fliessen ein in die Berechnung der Erfahrungsnote nach Art. 20 Abs. 3.
VIII. Qualifikationsverfahren
Art. 17
Zulassung
Zu den Qualifikationsverfahren wird zugelassen, wer die berufliche Grundbildung erworben hat:
a) nach den Bestimmungen dieser Verordnung;
b) in einer dafür zugelassenen Bildungsinstitution; oder
c) ausserhalb eines geregelten Bildungsganges, soweit sie oder er:
1. die nach Art. 46 Abs. 3 BBG erforderliche berufliche Erfahrung erworben hat;
2. von dieser beruflichen Erfahrung mindestens drei Jahre im Bereich der Maurerin/des Maurers erworben hat; und
3. glaubhaft macht, den Anforderungen der Abschlussprüfung (Art. 19) gewachsen zu sein.
Art. 18
Gegenstand der Qualifikationsverfahren
In den Qualifikationsverfahren ist nachzuweisen, dass die Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 erworben worden sind.
Art. 19
Umfang und Durchführung des Qualifikationsverfahrens mit Abschlussprüfung
1) Im Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung werden die nachstehenden Qualifikationsbereiche wie folgt geprüft:
a) Praktische Arbeit, als vorgegebene praktische Arbeit (VPA) im Umfang von 20 Stunden: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft. Die lernende Person muss zeigen, dass sie fähig ist, die geforderten Tätigkeiten fachlich korrekt sowie bedarfs- und situationsgerecht sowie umweltgerecht auszuführen. Die Lerndokumentation und die Unterlagen der überbetrieblichen Kurse dürfen als Hilfsmittel verwendet werden.
b) Berufskenntnisse, im Umfang von zwei Stunden schriftlich und einer Stunde mündlich: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft.
c) Fachzeichnen, im Umfang von zwei Stunden schriftlich: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft.
d) Allgemeinbildung: Dieser Qualifikationsbereich richtet sich nach der Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
2) In jedem Qualifikationsbereich beurteilen mindestens zwei Prüfungsexpertinnen/-experten die Leistungen.
Art. 20
Bestehen, Notenberechnung, Notengewichtung
1) Das Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung ist bestanden, wenn:
a) der Qualifikationsbereich "praktische Arbeit" mit der Note 4 oder höher bewertet wird; und
b) die Gesamtnote 4 oder höher erreicht wird.
2) Die Gesamtnote ist das auf eine Dezimalstelle gerundete Mittel der gewichteten Noten aus der Summe der Noten der einzelnen Qualifikationsbereiche der Abschlussprüfung sowie der gewichteten Erfahrungsnote. Dabei gilt folgende Gewichtung:
a) praktische Arbeit: 50%;
b) Berufskenntnisse: 12.5%;
c) Fachzeichnen: 7.5%
d) Allgemeinbildung: 20%;
e) Erfahrungsnote: 10%.
3) Die Erfahrungsnote ist das auf eine Dezimalstelle gerundete Mittel aus der Summe der Noten für:
a) den berufskundlichen Unterricht;
b) die überbetrieblichen Kurse.
4) Die Note für den berufskundlichen Unterricht ist das auf eine ganze oder halbe Note gerundete Mittel aus der Summe aller Semesterzeugnisnoten des berufskundlichen Unterrichts.
5) Die Note für die überbetrieblichen Kurse ist das auf eine ganze oder halbe Note gerundete Mittel aus der Summe der benoteten Kompetenznachweise.
Art. 21
Wiederholungen
1) Wiederholungen von Qualifikationsverfahren sind höchstens zweimal möglich. Muss ein Qualifikationsbereich wiederholt werden, so ist er in seiner Gesamtheit zu wiederholen.
2) Wird die Abschlussprüfung ohne erneuten Besuch der Berufsfachschule wiederholt, so wird die bisherige Erfahrungsnote beibehalten. Wird der berufskundliche Unterricht während mindestens zwei Semestern wiederholt, so zählen für die Berechnung der Erfahrungsnote nur die neuen Noten.
3) Wird die Abschlussprüfung ohne erneuten Besuch von überbetrieblichen Kursmodulen wiederholt, so wird die bisherige Erfahrungsnote beibehalten. Werden die letzten zwei bewerteten überbetrieblichen Kursmodule wiederholt, so zählen für die Berechnung der Erfahrungsnote nur die neuen Noten.
Art. 22
Spezialfall
1) Hat eine lernende Person die Vorbildung ausserhalb der geregelten beruflichen Grundbildung erworben und die Abschlussprüfung nach dieser Verordnung absolviert, so entfällt die Erfahrungsnote.
2) Für die Berechnung der Gesamtnote werden die einzelnen Noten wie folgt gewichtet:
a) praktische Arbeit: 50 %;
b) Berufskenntnisse: 20 %;
c) Fachzeichnen: 10 %;
d) Allgemeinbildung: 20 %.
Art. 23
Fähigkeitszeugnis
1) Wer ein Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erhält ein Fähigkeitszeugnis.
2) Das Fähigkeitszeugnis berechtigt, den gesetzlich geschützten Titel "Maurerin FZ"/"Maurer FZ" zu führen.
3) Ist das Fähigkeitszeugnis mittels Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung erworben worden, so wird im Notenausweis aufgeführt:
a) die Gesamtnote;
b) die Noten jedes Qualifikationsbereichs der Abschlussprüfung sowie, unter dem Vorbehalt von Art. 22 Abs. 1, die Erfahrungsnote.
X. Kommission für Berufsentwicklung und Qualität
Art. 24
Die Regierung kann eine Kommission bestimmen, der die Förderung der Berufsentwicklung und die Sicherstellung der Qualität der Grundbildung für Maurerinnen/Maurer obliegt.
XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 25
Übergangsbestimmungen
1) Lernende, die ihre Bildung als Maurerin/Maurer vor dem 1. Januar 2011 begonnen haben, schliessen sie nach bisherigem Recht ab.
2) Wer die Lehrabschlussprüfung für Maurerin/Maurer bis zum 31. Dezember 2015 wiederholt, kann verlangen, nach bisherigem Recht beurteilt zu werden.
Art. 26
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.
Fürstliche Regierung:
gez. Dr. Klaus Tschütscher
Fürstlicher Regierungschef