0.515.031.1
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2015 Nr. 312 ausgegeben am 27. November 2015
Zusatzprotokoll
zum Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Internationalen Atomenergieorganisation über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen1
Abgeschlossen in Wien am 14. Juli 2006
Zustimmung des Landtags: 17. Mai 20062
Inkrafttreten: 25. November 2015
In der Erwägung, dass das Fürstentum Liechtenstein (im Folgenden "Liechtenstein" genannt) und die Internationale Atomenergieorganisation (im Folgenden "Organisation" genannt) Vertragsparteien eines Abkommens über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (im Folgenden als "Safeguardsabkommen" bezeichnet) sind, welches am 4. Oktober 1979 in Kraft getreten ist,
in Anbetracht des Wunsches der internationalen Gemeinschaft, die Nichtverbreitung von Kernwaffen durch grössere Wirksamkeit und höhere Effizienz des Safeguardssystems der Organisation weiter zu fördern,
eingedenk dessen, dass die Organisation bei ihren Safeguardsmassnahmen die Notwendigkeit zu berücksichtigen hat, dass eine Behinderung der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung Liechtensteins oder der internationalen Zusammenarbeit bei friedlichen nuklearen Tätigkeiten vermieden werden muss, die geltenden Gesundheits-, Sicherheits-, Objektschutz- und sonstigen Sicherheitsvorschriften und die Rechte des einzelnen zu beachten sind und alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit Geschäfts-, Technologie- und Betriebsgeheimnisse sowie andere vertrauliche Informationen, von denen sie Kenntnis erhält, geschützt werden,
in der Erwägung, dass die Häufigkeit und die Intensität der in diesem Protokoll beschriebenen Tätigkeiten auf das Mindestmass zu beschränken sind, das mit dem Ziel wirksamerer und effizienterer Safeguardsmassnahmen der Organisation vereinbar ist,
sind Liechtenstein und die Organisation wie folgt übereingekommen:
Verhältnis zwischen Protokoll und Safeguardsabkommen
Art. 1
Die Bestimmungen des Safeguardsabkommens finden auf dieses Protokoll Anwendung, soweit sie relevant und mit diesem Protokoll zu vereinbaren sind. Bei einem Widerspruch zwischen den Bestimmungen des Safeguardsabkommens und denen dieses Protokolls gelten letztere.
Erteilung von Informationen
Art. 2
a) Liechtenstein übermittelt der Organisation eine Erklärung, die folgende Informationen enthält:
i) eine allgemeine Beschreibung und Ortsangabe von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des Kernbrennstoffkreislaufs, die ohne Anwesenheit von Kernmaterial irgendwo durchgeführt werden und die Liechtenstein finanziert, besonders genehmigt hat oder kontrolliert oder in seinem Namen durchführen lässt;
ii) von der Organisation auf Grund erwarteter Wirksamkeits- oder Effizienzverbesserungen angegebene und von Liechtenstein akzeptierte Informationen über die für Safeguardsmassnahmen relevanten Betriebstätigkeiten in Anlagen und an Orten ausserhalb von Anlagen, wo üblicherweise Kernmaterial verwendet wird;
iii) eine allgemeine Beschreibung jedes Gebäudes an jedem Standort, einschliesslich seiner Verwendung und, sofern dies nicht aus der Beschreibung hervorgeht, seines Inhalts. Die Beschreibung schliesst einen Plan des Standorts ein;
iv) eine Beschreibung des Umfangs der betrieblichen Tätigkeiten für jeden Ort, an dem die in Anhang I dieses Protokolls genannten Tätigkeiten durchgeführt werden;
v) Angabe des Ortes, des Betriebszustands und der geschätzten jährlichen Produktionskapazität von Uranbergwerken und -konzentrierungsanlagen sowie Thoriumkonzentrierungsanlagen in Liechtenstein sowie der aktuellen Jahresproduktion dieser Bergwerke und Konzentrierungsanlagen.
Liechtenstein gibt auf Ersuchen der Organisation die aktuelle Jahresproduktion eines bestimmten Bergwerks oder einer bestimmten Konzentrierungsanlage an. Für die Erteilung dieser Angaben ist keine detaillierte Kernmaterialbuchführung erforderlich;
vi) folgende Informationen über Ausgangsmaterial, das nach Zusammensetzung und Reinheit noch nicht für die Brennstoffherstellung oder die Isotopenanreicherung geeignet ist:
a) Menge, chemische Zusammensetzung, Verwendung oder geplante Verwendung dieses Materials - ob für nukleare oder nichtnukleare Verwendungen -, und zwar für jeden Ort in Liechtenstein, an dem das Material in einer Menge von mehr als zehn Tonnen Uran und/oder zwanzig Tonnen Thorium vorhanden ist, sowie für andere Orte mit einer Menge von mehr als einer Tonne, wenn die Gesamtmenge in Liechtenstein zehn Tonnen Uran oder zwanzig Tonnen Thorium übersteigt. Für die Erteilung dieser Angaben ist keine detaillierte Kernmaterialbuchführung erforderlich;
b) Menge, chemische Zusammensetzung und Bestimmung bei jeder einzelnen Ausfuhr solchen für spezifisch nichtnukleare Zwecke bestimmten Materials aus Liechtenstein in Mengen, die
1. zehn Tonnen Uran übersteigen oder die bei aufeinander folgenden Uranausfuhren aus Liechtenstein in denselben Staat einzeln weniger als zehn Tonnen, zusammen aber mehr als zehn Tonnen im Jahr betragen;
2. zwanzig Tonnen Thorium übersteigen oder die bei aufeinander folgenden Thoriumausfuhren aus Liechtenstein in denselben Staat einzeln weniger als zwanzig Tonnen, zusammen aber mehr als zwanzig Tonnen im Jahr betragen;
c) Menge, chemische Zusammensetzung, aktueller Ort und Verwendung oder geplante Verwendung bei jeder einzelnen Einfuhr solchen für spezifisch nichtnukleare Zwecke bestimmten Materials nach Liechtenstein in Mengen, die
1. zehn Tonnen Uran übersteigen oder die bei aufeinander folgenden Uraneinfuhren nach Liechtenstein einzeln weniger als zehn Tonnen, zusammen aber mehr als zehn Tonnen im Jahr betragen;
2. zwanzig Tonnen Thorium übersteigen oder die bei aufeinander folgenden Thoriumeinfuhren nach Liechtenstein einzeln weniger als zwanzig Tonnen, zusammen aber mehr als zwanzig Tonnen im Jahr betragen;
wobei keine Angaben über das für eine nichtnukleare Verwendung bestimmte Material gemacht zu werden brauchen, wenn dieses die für die nichtnukleare Endverwendung geeignete Form hat;
vii)
a) Informationen über Menge, Verwendung und Ort von Kernmaterial, das auf Grund des Art. 36 des Safeguardsabkommens von Safeguardsmassnahmen befreit ist;
b) Informationen über die (gegebenenfalls geschätzte) Menge und Verwendung an jedem einzelnen Ort von Kernmaterial, das auf Grund des Art. 35 Bst. b des Safeguardsabkommens von Safeguardssmassnahmen befreit ist, aber noch nicht die für die nichtnukleare Endverwendung geeignete Form hat, und zwar bei Mengen, die über die in Art. 36 des Safeguardsabkommens genannten hinausgehen. Für die Erteilung dieser Angaben ist keine detaillierte Kernmaterialbuchführung erforderlich.
viii) Informationen über den Ort oder die weitere Aufbereitung mittel- oder hochaktiven Abfalls, der Plutonium, hochangereichertes Uran oder Uran-233 enthält und bei dem die Safeguardsmassnahmen auf Grund des Art. 11 des Safeguardsabkommens beendet wurden. Im Sinne dieser Ziffer schliesst die "weitere Aufbereitung" nicht die Neuverpackung des Abfalls oder seine weitere Konditionierung ohne Elementetrennung für die Zwischen- oder Endlagerung ein;
ix) folgende Informationen über die in Anhang II angegebenen Ausrüstungen und nichtnuklearen Materialien:
a) bei jeder Ausfuhr solcher Ausrüstungen und Materialien aus Liechtenstein: Identität, Menge, Ort der geplanten Verwendung in dem Empfängerstaat und Ausfuhrdatum oder voraussichtliches Ausfuhrdatum;
b) auf besonderes Ersuchen der Organisation: Bestätigung von Informationen durch Liechtenstein, die ein anderer Staat der Organisation über die Ausfuhr solcher Ausrüstungen und Materialien nach Liechtenstein mitgeteilt hat;
x) allgemeine Pläne für die folgenden zehn Jahre in Bezug auf die Entwicklung des Kernbrennstoffkreislaufs (einschliesslich der geplanten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten über den Kernbrennstoffkreislauf), sobald sie von den zuständigen Behörden Liechtensteins genehmigt sind.
b) Liechtenstein unternimmt alle vernünftigen Anstrengungen, der Organisation folgende Informationen zu übermitteln:
i) eine allgemeine Beschreibung und Ortsangabe der ohne Kernmaterial durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des Kernbrennstoffkreislaufs, die sich speziell auf die Anreicherung, die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoff oder die Aufbereitung mittel- oder hochaktiven, Plutonium, hochangereichertes Uran oder Uran-233 enthaltenden Abfalls beziehen und irgendwo in Liechtenstein durchgeführt, aber von Liechtenstein nicht finanziert, besonders genehmigt oder kontrolliert oder in seinem Namen betrieben werden. Im Sinne dieser Ziffer schliesst der Begriff "Aufbereitung" mittel- oder hochaktiven Abfalls nicht die Neuverpackung von Abfall oder seine Konditionierung ohne Elementetrennung für die Zwischen- oder Endlagerung ein;
ii) eine allgemeine Beschreibung der Tätigkeiten an von der Organisation ausserhalb eines Standorts genannten Orten, die nach Ansicht der Organisation funktionsmässig mit den Tätigkeiten an diesem Standort in Verbindung stehen könnten, und Angabe der Person oder Einrichtung, die diese Tätigkeiten durchführt. Für diese Informationen ist ein besonderes Ersuchen seitens der Organisation erforderlich. Sie werden in Absprache mit der Organisation und in angemessener Zeit übermittelt.
c) Auf Ersuchen der Organisation übermittelt Liechtenstein weitere oder klärende Ausführungen zu allen auf Grund dieses Artikels erteilten Informationen, soweit dies für den Zweck der Safeguardsmassnahmen von Belang ist.
Art. 3
a) Liechtenstein übermittelt der Organisation die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. i, iii, iv, v, vi Bst. a, vii und x und Abschnitt b Ziff. i angegebenen Informationen innerhalb von 180 Tagen nach Inkrafttreten dieses Protokolls.
b) Liechtenstein übermittelt der Organisation bis zum 15. Mai jedes Jahres eine Aktualisierung der in Abschnitt a genannten Informationen für das vorhergehende Kalenderjahr. Hat sich gegenüber den früheren Informationen nichts geändert, so gibt Liechtenstein dies an.
c) Liechtenstein übermittelt der Organisation bis zum 15. Mai jedes Jahres die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. vi Bst. b und c angegebenen Informationen für das vorhergehende Kalenderjahr.
d) Liechtenstein übermittelt der Organisation alle Vierteljahre die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. ix Bst. a angegebenen Informationen. Diese Informationen werden innerhalb von sechzig Tagen nach Ablauf jedes Vierteljahres übermittelt.
e) Liechtenstein übermittelt der Organisation 180 Tage vor einer weiteren Aufbereitung die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. viii angegebenen Informationen sowie bis zum 15. Mai jedes Jahres Informationen über einen Ortswechsel im vorhergehenden Kalenderjahr.
f) Liechtenstein vereinbart mit der Organisation, wann und wie häufig die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. ii angegebenen Informationen übermittelt werden.
g) Liechtenstein übermittelt der Organisation die in Art. 2 Abschnitt a Ziff. ix Bst. b angegebenen Informationen innerhalb von sechzig Tagen nach Ersuchen seitens der Organisation.
Erweiterter Zugang
Art. 4
Für den erweiterten Zugang auf Grund des Art. 5 dieses Protokolls gilt Folgendes:
a) Die Organisation versucht nicht mechanisch oder systematisch, die in Art. 2 genannten Informationen nachzuprüfen; die Organisation hat jedoch Zugang zu
i) jedem in Art. 5 Abschnitt a Ziff. i oder ii genannten Ort ihrer Wahl, um sich zu vergewissern, dass es dort kein nichtdeklariertes Kernmaterial und keine nichtdeklarierten Tätigkeiten gibt;
ii) jedem in Art. 5 Abschnitt b oder c genannten Ort, um eine Frage bezüglich der Richtigkeit und Vollständigkeit der auf Grund des Art. 2 übermittelten Informationen oder eine Widersprüchlichkeit im Zusammenhang mit diesen Informationen zu klären;
iii) jedem in Art. 5 Abschnitt a Ziff. iii genannten Ort, soweit dies für die Organisation erforderlich ist, um für Zwecke der Safeguardsmassnahmen die Erklärung Liechtensteins über die Stilllegung einer Anlage oder eines Ortes ausserhalb von Anlagen, wo üblicherweise Kernmaterial verwendet wurde, zu bestätigen.
b)
i) Vorbehaltlich der Regelung in Ziff. ii kündigt die Organisation Liechtenstein den Zugang mindestens 24 Stunden zuvor an;
ii) beim Zugang zu irgendeiner Stelle eines Standorts im Zusammenhang mit der Nachprüfung von Anlagedaten oder einer Ad-hoc- oder Routineinspektion an diesem Standort beträgt die Ankündigungsfrist bei einem entsprechenden Ersuchen der Organisation mindestens zwei Stunden, kann jedoch unter aussergewöhnlichen Umständen auch weniger betragen.
c) Die Vorankündigung erfolgt schriftlich unter Angabe der Zugangsgründe und der vorgesehenen Tätigkeiten.
d) Bei einer Frage oder einer Widersprüchlichkeit gibt die Organisation Liechtenstein Gelegenheit, diese zu klären und eine Lösung zu erleichtern. Eine solche Gelegenheit wird vor einem Zugangsersuchen eingeräumt, sofern die Organisation nicht der Ansicht ist, eine Verzögerung des Zugangs schade dem Zweck, zu dem darum ersucht wird. In jedem Fall zieht die Organisation keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage oder der Widersprüchlichkeit, bevor nicht Liechtenstein eine solche Gelegenheit eingeräumt worden ist.
e) Sofern mit Liechtenstein nichts anderes vereinbart wurde, findet der Zugang nur während der normalen Arbeitszeit statt.
f) Liechtenstein hat das Recht, die Inspektoren der Organisation während des Zugangs von eigenen Vertretern begleiten zu lassen, vorausgesetzt, dass die Inspektoren der Organisation dadurch nicht aufgehalten oder sonstwie bei der Ausübung ihrer Funktionen behindert werden.
Art. 5
Liechtenstein gewährt der Organisation Zugang zu
a)
i) jeder Stelle eines Standorts,
ii) jedem auf Grund des Art. 2 Abschnitt a Ziff. v bis viii angegebenen Ort,
iii) jeder stillgelegten Anlage und jedem stillgelegten Ort ausserhalb von Anlagen, wo üblicherweise Kernmaterial verwendet wurde;
b) allen anderen von Liechtenstein auf Grund des Art. 2 Abschnitt a Ziff. i, iv oder ix Bst. b oder Abschnitt b angegebenen Orten ausser den in Abschnitt a Ziff. i genannten, wobei Liechtenstein, wenn es solchen Zugang nicht gewähren kann, alle vernünftigen Anstrengungen unternimmt, um die Forderungen der Organisation unverzüglich auf andere Weise zu erfüllen;
c) allen anderen Orten ausser den in den Abschnitten a und b genannten, welche die Organisation für die Entnahme ortsspezifischer Umweltproben angibt, wobei Liechtenstein, wenn es solchen Zugang nicht gewähren kann, alle vernünftigen Anstrengungen unternimmt, um die Forderungen der Organisation unverzüglich an angrenzenden Orten oder auf andere Weise zu erfüllen.
Art. 6
Bei der Durchführung des Art. 5 kann die Organisation folgende Tätigkeiten vornehmen:
a) bei einem Zugang auf Grund des Art. 5 Abschnitt a Ziff. i oder iii, Inaugenscheinnahme, Entnahme von Umweltproben, Einsatz von Strahlungsdetektoren und -messgeräten, Anbringung von Siegeln und anderen in Ergänzenden Abmachungen festgelegten kennzeichnenden und Verfälschungen anzeigenden Vorrichtungen sowie sonstige objektive Massnahmen, die nachweislich technisch möglich sind und deren Anwendung der Gouverneursrat (im Folgenden als "Rat" bezeichnet) zugestimmt hat, nach Konsultationen zwischen der Organisation und Liechtenstein;
b) bei einem Zugang auf Grund des Art. 5 Abschnitt a Ziff. ii, Inaugenscheinnahme, Zählung einzelner Kernmaterialposten, zerstörungsfreie Messungen und Probenahmen, Einsatz von Strahlungsdetektoren und -messgeräten, Prüfung der für die Menge, Herkunft und Verwendung des Materials relevanten Protokolle, Entnahme von Umweltproben und sonstige objektive Massnahmen, die nachweislich technisch möglich sind und deren Anwendung der Rat zugestimmt hat, nach Konsultationen zwischen der Organisation und Liechtenstein;
c) bei einem Zugang auf Grund des Art. 5 Abschnitt b, Inaugenscheinnahme, Entnahme von Umweltproben, Einsatz von Strahlungsdetektoren und -messgeräten, Prüfung der für die Safeguardsmassnahmen relevanten Fabrikations- und Versandprotokolle und sonstige objektive Massnahmen, die nachweislich technisch möglich sind und deren Anwendung der Rat zugestimmt hat, nach Konsultationen zwischen der Organisation und Liechtenstein;
d) bei einem Zugang auf Grund des Art. 5 Abschnitt c, Entnahme von Umweltproben und, falls sich anhand der Ergebnisse die Frage oder die Widersprüchlichkeit an dem von der Organisation auf Grund des Art. 5 Abschnitt c angegebenen Ort nicht klären lässt, am selben Ort Inaugenscheinnahme, Einsatz von Strahlungsdetektoren und -messgeräten und, soweit von Liechtenstein mit der Organisation vereinbart, sonstige objektive Massnahmen.
Art. 7
a) Auf Ersuchen Liechtensteins treffen die Organisation und Liechtenstein Abmachungen über eine Regelung des Zugangs im Rahmen dieses Protokolls, um die Weitergabe von im Sinne der Nichtverbreitung sensitiven Informationen zu verhindern, Sicherheitsvorschriften oder Anforderungen des physischen Schutzes zu erfüllen oder rechtlich geschützte oder wirtschaftlich schutzbedürftige Informationen zu schützen. Solche Abmachungen hindern die Organisation nicht daran, die notwendigen Tätigkeiten durchzuführen, um sich zu vergewissern, dass es an dem betreffenden Ort kein nichtdeklariertes Kernmaterial und keine nichtdeklarierten Tätigkeiten gibt; dies schliesst auch die Klärung einer Frage bezüglich der Richtigkeit und Vollständigkeit der in Art. 2 genannten Informationen oder einer Widersprüchlichkeit im Zusammenhang mit diesen Informationen ein.
b) Bei der Übermittlung der in Art. 2 genannten Informationen kann Liechtenstein der Organisation mitteilen, an welchen Stellen eines Standorts oder eines Ortes der Zugang geregelt werden kann.
c) Bis zum Inkrafttreten gegebenenfalls notwendiger Ergänzender Abmachungen kann Liechtenstein eine Zugangsregelung im Einklang mit Abschnitt a treffen.
Art. 8
Dieses Protokoll hindert Liechtenstein nicht daran, der Organisation zusätzlich zu den in den Art. 5 und 9 genannten Orten auch anderswo Zugang zu gewähren oder die Organisation zu ersuchen, an einem bestimmten Ort eine Nachprüfung vorzunehmen. Die Organisation unternimmt unverzüglich alle vernünftigen Anstrengungen, um diesem Ersuchen nachzukommen.
Art. 9
Liechtenstein gewährt der Organisation Zugang zu den Orten, welche die Organisation für die Entnahme von Umweltproben in einem grösseren Gebiet angibt, wobei Liechtenstein, wenn es solchen Zugang nicht gewähren kann, alle vernünftigen Anstrengungen unternimmt, um die Forderungen der Organisation an anderen Orten zu erfüllen. Die Organisation ersucht erst dann um Zugang, wenn die Entnahme von Umweltproben in einem grösseren Gebiet und die Abmachung über die entsprechenden Verfahren vom Rat gebilligt worden sind und Konsultationen zwischen der Organisation und Liechtenstein stattgefunden haben.
Art. 10
Die Organisation unterrichtet Liechtenstein von:
a) den im Rahmen dieses Protokolls durchgeführten Tätigkeiten, einschliesslich solcher, die Fragen oder Widersprüchlichkeiten betreffen, von denen die Organisation Liechtenstein in Kenntnis gesetzt hat, und zwar innerhalb von sechzig Tagen nach Ausführung ihrer Tätigkeiten;
b) den Ergebnissen der Tätigkeiten, die Fragen oder Widersprüchlichkeiten betreffen, von denen die Organisation Liechtenstein in Kenntnis gesetzt hat, und zwar so bald wie möglich, auf jeden Fall jedoch innerhalb von dreissig Tagen nach Feststellung der Ergebnisse;
c) den Schlussfolgerungen, die sie aus ihren Tätigkeiten im Rahmen dieses Protokolls gezogen hat. Die Schlussfolgerungen werden jedes Jahr übermittelt.
Bestellung von Inspektoren der Organisation
Art. 11
a)
i) Der Generaldirektor notifiziert Liechtenstein, wenn der Rat einen Beamten der Organisation zum Inspektor für Safeguardsmassnahmen bestimmt hat. Sofern Liechtenstein den Generaldirektor nicht innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Notifikation davon in Kenntnis setzt, dass es diesen Beamten als Inspektor für Liechtenstein ablehnt, gilt dieser als für Liechtenstein bestellt;
ii) der Generaldirektor unterrichtet Liechtenstein unverzüglich, wenn er auf Ersuchen Liechtensteins oder von sich aus die Bestellung eines Beamten als Inspektor für Liechtenstein rückgängig gemacht hat.
b) Die in Abschnitt a vorgesehene Notifikation gilt nach sieben Tagen, nachdem die Organisation sie per Einschreiben an Liechtenstein abgesandt hat, als bei Liechtenstein eingegangen.
Sichtvermerke
Art. 12
Liechtenstein stellt innerhalb eines Monats nach Erhalt eines entsprechenden Gesuchs dem darin angegebenen bestellten Inspektor die erforderlichen Sichtvermerke für die mehrmalige Ein- und Ausreise und, wenn nötig, Durchreise aus, damit der Inspektor das Hoheitsgebiet Liechtensteins zur Ausübung seiner Funktionen betreten und dort bleiben kann. Alle erforderlichen Sichtvermerke sind mindestens ein Jahr gültig und werden bei Bedarf für die Dauer der Bestellung des Inspektors für Liechtenstein erneuert.
Ergänzende Abmachungen
Art. 13
a) Weist Liechtenstein oder die Organisation darauf hin, dass in Ergänzenden Abmachungen festgelegt werden muss, wie die in diesem Protokoll vorgesehenen Massnahmen anzuwenden sind, so trifft Liechtenstein mit der Organisation solche Ergänzenden Abmachungen innerhalb von neunzig Tagen nach Inkrafttreten dieses Protokolls oder, wenn auf die Notwendigkeit solcher Ergänzenden Abmachungen nach Inkrafttreten dieses Protokolls hingewiesen wird, innerhalb von neunzig Tagen, nachdem dieser Hinweis ergangen ist.
b) Bis zum Inkrafttreten etwa notwendiger Ergänzender Abmachungen ist die Organisation berechtigt, die in diesem Protokoll vorgesehenen Massnahmen durchzuführen.
Kommunikationssysteme
Art. 14
a) Liechtenstein gestattet und schützt die freie Kommunikation der Organisation für amtliche Zwecke zwischen den sich in Liechtenstein aufhaltenden Inspektoren der Organisation und dem Sitz und den Regionalbüros der Organisation, einschliesslich der automatischen und nichtautomatischen Übermittlung von Daten aus Vorrichtungen der Organisation zur räumlichen Eingrenzung und Beobachtung oder Messung. Die Organisation hat in Konsultation mit Liechtenstein das Recht, die auf internationaler Ebene eingerichteten Direktkommunikationssysteme zu benutzen, einschliesslich der Satellitensysteme und anderen Formen der Telekommunikation, die in Liechtenstein nicht benutzt werden. Auf Ersuchen Liechtensteins oder der Organisation werden die Einzelheiten der Durchführung dieses Abschnitts in Liechtenstein, was die automatische oder nichtautomatische Übermittlung von Daten aus Vorrichtungen der Organisation zur räumlichen Eingrenzung und Beobachtung oder Messung betrifft, in den Ergänzenden Abmachungen festgelegt.
b) Bei der Kommunikation und Informationsübermittlung nach Abschnitt a wird der Notwendigkeit Rechnung getragen, urheberrechtlich geschützte oder wirtschaftlich schutzbedürftige Informationen sowie die Anlagedaten, die Liechtenstein als besonders schutzbedürftig erachtet, zu schützen.
Schutz vertraulicher Informationen
Art. 15
a) Die Organisation unterhält ein strenges System, um Geschäfts-, Technologie- und Betriebsgeheimnisse oder andere vertrauliche Informationen, von denen sie Kenntnis erhält, einschliesslich solcher, von denen sie bei der Durchführung dieses Protokolls erfährt, wirksam vor einer Preisgabe zu schützen.
b) Das in Abschnitt a vorgesehene System umfasst unter anderem Folgendes:
i) allgemeine Grundsätze und entsprechende Massnahmen für die Behandlung vertraulicher Informationen;
ii) Beschäftigungsbedingungen für das Personal im Hinblick auf den Schutz vertraulicher Informationen;
iii) Bestimmungen über Verfahren bei Verstoss oder angeblichem Verstoss gegen die Geheimhaltungspflicht.
c) Das in Abschnitt a vorgesehene System wird vom Rat genehmigt und regelmässig überprüft.
Anhänge3
Art. 16
a) Die Anhänge dieses Protokolls sind Bestandteil des Protokolls. Ausser bei einer Änderung der Anhang I oder II bedeutet der in dieser Übereinkunft verwendete Ausdruck "Protokoll" dieses Protokoll und die Anhänge zusammen.
b) Das Verzeichnis der Tätigkeiten in Anhang I sowie das Verzeichnis der Ausrüstungen und Materialien in Anhang II können vom Rat auf Empfehlung einer von ihm eingesetzten offenen Arbeitsgruppe von Sachverständigen geändert werden. Eine solche Änderung tritt vier Monate nach Beschluss des Rates in Kraft.
Inkrafttreten
Art. 17
a) Dieses Protokoll tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Organisation von Liechtenstein die schriftliche Notifikation erhält, dass seine rechtlichen/verfassungsmässigen Verfahren für das Inkrafttreten abgeschlossen sind.
b) Liechtenstein kann jederzeit vor Inkrafttreten dieses Protokolls erklären, dass es dieses Protokoll vorläufig anwenden wird.
c) Der Generaldirektor unterrichtet alle Mitgliedstaaten der Organisation sogleich von jeder Erklärung über eine vorläufige Anwendung und von dem Inkrafttreten dieses Protokolls.
Begriffsbestimmungen
Art. 18
Im Sinne dieses Protokolls bedeuten
a) Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des Kernbrennstoffkreislaufs Tätigkeiten mit speziellem Bezug auf einen Teil der Prozess- oder Systementwicklung für eine der folgenden Tätigkeiten oder Anlagen:
- Konversion von Kernmaterial;
- Anreicherung von Kernmaterial;
- Herstellung von Kernbrennstoff;
- Reaktoren;
- kritische Anordnungen;
- Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoff;
- Aufbereitung mittel- oder hochaktiven Abfalls, der Plutonium, hochangereichertes Uran oder Uran-233 enthält (jedoch keine Neuverpackung oder Konditionierung ohne Elementetrennung für die Zwischen- oder Endlagerung);
darunter fallen jedoch keine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der theoretischen oder der Grundlagenforschung oder mit Forschungs- und Entwicklungsarbeiten über industrielle Einsatzmöglichkeiten für Radioisotope, über medizinische, hydrologische und landwirtschaftliche Anwendungsmöglichkeiten, die Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt oder eine bessere Instandhaltung;
b) Standort das Gebiet, dessen Grenzen Liechtenstein sowohl in den relevanten Anlagedaten für eine Anlage, einschliesslich einer ausser Betrieb genommenen, angegeben haben als auch in den relevanten Angaben über einen Ort ausserhalb von Anlagen, wo üblicherweise Kernmaterial verwendet wird, einschliesslich eines ausser Betrieb genommenen Ortes ausserhalb von Anlagen, an dem Kernmaterial üblicherweise verwendet wurde (dies beschränkt sich auf Orte mit heissen Zellen und solche, an denen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Konversion, Anreicherung, Brennstoffherstellung oder Wiederaufarbeitung durchgeführt wurden). Standort schliesst auch alle Einrichtungen ein, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Anlage oder des Ortes befinden und zur Bereitstellung oder Nutzung wesentlicher Dienste bestimmt sind, einschliesslich heisser Zellen für die Aufbereitung bestrahlten Materials, das kein Kernmaterial enthält, Einrichtungen zur Behandlung, Zwischen- und Endlagerung von Abfall sowie Gebäude für die von Liechtenstein auf Grund des Art. 2 Abschnitt a Ziff. iv angegebenen Arbeiten;
c) stillgelegte Anlage oder stillgelegter Ort ausserhalb von Anlagen eine Einrichtung oder einen Ort, wo die für eine Nutzung wesentlichen Restkonstruktionen und -ausrüstungen entfernt oder funktionsunfähig gemacht worden sind, so dass die Anlage oder der Ort nicht für die Lagerung benutzt wird und nicht länger für die Handhabung, Verarbeitung oder Verwendung von Kernmaterial genutzt werden kann;
d) ausser Betrieb genommene Anlage oder ausser Betrieb genommener Ort ausserhalb von Anlagen eine Einrichtung oder einen Ort, wo der Betrieb eingestellt und das Kernmaterial entfernt wurde, die jedoch nicht stillgelegt worden sind;
e) hochangereichertes Uran Uran, das mindestens 20 % des Isotops Uran-235 enthält;
f) ortsspezifische Entnahme von Umweltproben das Sammeln von Umweltproben (zum Beispiel Luft, Wasser, Vegetation, Boden, Verschmutzungen) an einem von der Organisation angegebenen Ort und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, die der Organisation helfen sollen, zu einem Schluss darüber zu gelangen, ob es an dem angegebenen Ort nichtdeklariertes Kernmaterial oder nichtdeklarierte nukleare Tätigkeiten gibt;
g) grossräumige Entnahme von Umweltproben das Sammeln von Umweltproben (zum Beispiel Luft, Wasser, Vegetation, Boden, Verschmutzungen) an mehreren von der Organisation angegebenen Orten, die der Organisation dabei helfen sollen, zu einem Schluss darüber zu gelangen, ob es in einem grösseren Gebiet nichtdeklariertes Kernmaterial oder nichtdeklarierte nukleare Tätigkeiten gibt;
h) Kernmaterial jedes Ausgangs- oder besondere spaltbare Material nach der Begriffsbestimmung des Art. XX der Satzung. Der Ausdruck Ausgangsmaterial ist nicht so auszulegen, als beziehe er sich auch auf Erz oder Erzrückstände. Beschliesst der Rat auf Grund des Art. XX der Satzung der Organisation nach dem Inkrafttreten dieses Protokolls, dass weiteres Material als Ausgangsmaterial oder besonderes spaltbares Material anzusehen ist, so wird ein solcher Beschluss nur nach Annahme durch Liechtenstein im Rahmen dieses Protokolls wirksam;
i) Anlage
i) einen Reaktor, eine kritische Anordnung, eine Konversionsanlage, eine Fabrikationsanlage, eine Wiederaufarbeitungsanlage, eine Isotopentrennanlage oder eine getrennte Lagereinrichtung oder
ii) einen Ort, an dem Kernmaterial in Mengen, die ein effektives Kilogramm übersteigen, üblicherweise verwendet wird;
j) Ort ausserhalb von Anlagen eine Einrichtung oder einen Ort, die keine Anlagen sind und wo üblicherweise Kernmaterial in Mengen von höchstens einem effektiven Kilogramm verwendet wird.
Geschehen in Wien, am 14. Juli 2006, in doppelter Ausfertigung, deren englischer und französischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.
Für das
Fürstentum Liechtenstein:
Für die
Internationale Atomenergie-Organisation:
gez. Maria-Pia Kothbauer
gez. Mohamed El Baradei

1   Übersetzung des englischen Originaltextes.

2   Bericht und Antrag der Regierung Nr. 32/2006

3   Die Anhänge I und II zu diesem Protokoll werden im Landesgesetzblatt nicht veröffentlicht. Sie können beim Amt für Auswärtige Angelegenheiten eingesehen und bezogen werden. Zudem können sie in englischer und französischer Originalsprache unter www.iaea.org abgerufen werden.